Betroffenheitsbekundung – Die unterschätzte Sucht

Zu den noch völlig unerforschten Suchterscheinungen
zählt das Bekunden von Betroffenheit. Vor allem unter
Politikern kann dieses zu einer regelrechten Sucht aus –
arten.
Bei der Politikerin C. begann es schon im Alter von 8
Jahren. Eine entfernte Tante war verstorben und auf
der Trauerfeier konnte C. allen vierzig Trauergästen
ununterbrochen ihre Betroffenheit kundtun. Von da
an geriet es der Achtjährigen vollkommen zur Sucht.
Ob eine Katze überfahren worden, einer Hausfrau der
Kuchen angebrannt oder einem Obdachlosen keine
Mark gegeben wurde, immer war die Kleine C. zur
Stelle um ihre Betroffenheit auszudrücken. Mit 14
dann schlich sie sich immer wieder bei Beerdigungen
ein, um völlig fremden Trauergästen ihre Betroffen –
heit zu bekunden.
Später bot ihr die Universität hinlänglich Möglich –
keiten allen ihre tiefste Betroffenheit mit zuteilen.
Ob eine anstehende oder verhauene Klausur, das
Essen in der Mensa, immer war C. zur Stelle, um
ihrer Betroffenheit Ausdruck zu verleihen. Aber
nach fünf Jahren Uni und keinem Abschluß, war
dieses herrliche Leben vorbei.
C. musste sich also einen Job suchen. Was aber
tun, wenn man nichts gelernt und nichts kann ?
Kurzzeitig fand C. zwar einen Job als Managerin
einer Band aber das erwies sich als recht wenig
befriedigend für sie, denn schon nach ihrer ersten
Begegnung wurde der von ihr heißverehrte Sänger
stockschwul und durch ihr erfolgreiches Manage –
ment würde die Band wohl mindestens zehn Jahre
brauchen, um ihre Schulden wieder loszuwerden.
C. aber hatte Showluft geschnuppert und war sich
sicher, wenn man nichts gelernt, nichts kann aber
vorzüglich die zutiefst Betroffene mimen kann,
dann blieb einem nur die Karriere in der Politik !
Es war die Zeit der Achtundsechsiger und C. wurde
das erste Mal von der Polizei festgenommen. Sie
hatte eine Gruppe japanischer Touristen für viet –
namesische Bootspeople gehalten und denen ge –
schlagene sechs Stunden lang ihre Betroffenheit
über den Vietnamkrieg zukommen lassen, bis die
Polizei die armen Japaner aus ihrer Gewalt befreite.
Später stellte C. ihre Verhaftung als große Protest –
aktion dar, was ihr einen gewissen Respekt unter
anderen Studienabrechern, Bekifften und anderen
Komplettversagern einbrachte. Mit denen zusammen
gründete C. schließlich eine Partei. Etwas mit Tier –
und Umweltschutz sollte es sein, denn bei diesen
Themen gab es für C. Millionen Möglichkeiten ihre
Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen, denn ob
eine Tanne, die ihre Nadeln verliert, eine am Aus –
sterben seiende Tierart, immer konnte C. nun über
Stunden hinweg ihre Betroffenheit zum Ausdruck
bringen. Leider waren dass keine allzu guten Zu –
hörer.
Nach einem flotten Dreier in ihrer WG da traf C.
beim Verlassen der Wohnung im Treppenhaus
zufällig einen Mann. Sie kamen ins Gespräch und
der Mann sagte ihr, dass er Jude sei. Sofort war
C. ganz Betroffene. Später wird sie sagen diese
tiefe Betroffenheit über den Holocaust sei besser
als Sex gewesen. Jede Treppenstufe ein einziger
Orgasmus ! C. entdeckte den Holocaust für sich.
Ihr neue Leidenschaft teilte sie mit ihrer einzigen
Freundin. J., eine junge Adelige, die sich beim
Lesen des Tagebuchs der Anne Frank so in das
Thema hineingesteigert, dass sie aus dem zweiten
Stock ihres Schlosses gefallen. Zuerst glaubten
ihre Eltern, dass J. den Sturz unversehrt über –
standen hätte, außer dass sie sich selbst ein
paar Tage für Anne Frank gehalten. Aber dann
begann J. in ihren Eltern und Verwandten über –
all Nazis zu sehen Bevor ihre entsetzten Eltern
sie in die nächste Anstalt einweisen konnten,
war J. weggelaufen und Mitglied in C`s Partei
geworden. Gemein frönten die beiden dort
nun der Holocaust-Betroffenheit.
Um die ständigen Betroffenheitsbekundungen
ein wenig zu steuern, ernannte ihre Partei C.
zur Menschenrechtsbeauftragten. Nichts das
C. es denn je verstanden hätte, das Nichtbe –
troffene irgendwelche Rechte hätten. So war es
spetakulär wie sie hinter dem vollgekoksten und
osteuropäische Zwangsprostituierte vergewaltig –
enden Paolo Pinkel ihre volle Unterstützung ge –
währte. Dies wurde der Höhepunkt in C`s polit –
ischer Karriere als Menschenrechtsbeauftragte.
Kurz darauf entzweite sie sich mit ihrer besten
Freundin J. J. hatte angefangen solche Hüte aus
Aluminium zu tragen und bezichtigte C. eine
Außerirdische zu sein, die ihre Gedanken lesen
wollen. Daraufhin war C. zum erstem Mal in
ihrem Leben tatsächlich ehrlich betroffen !
Auch heute noch kommt C. an keinem Thema
und Mikrofon vorbei, ohne ausführlich ihre
tiefe Betroffenheit kundzutun.
Möge uns ihr Beispiel Warnung sein, wie leicht
Betroffenheitsbekundungen schnell zur einer
abhängmachenden Sucht geraten könnn. Und
wenn auch Sie Politiker oder Künstler in ihrer
Nähe kennen die der Betroffenheitsbekundung
verfallen, so wenden Sie sich bitte an die nächste
Suchtberatung.